Die Jubiläumsfeier zum 800-jährigen Bestehen der Pfarrei Wolferstadt basiert auf einem Verzeichnis der von Bischof Otto geweihten
Wolferstadt wird 1144 das erste Mal urkundlich erwähnt. Archäologische Befunde jedoch bezeugen eine wesentlich frühere Besiedlung, die bis in die Kelten- und Römerzeit zurückreicht. Der Topographie des Kirchbergs kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.
Der im Untergeschoß des Kirchturms aufgefundene römische Grab- oder Weihestein aus dem 2. Jahrhundert sowie ein alemannisches Reihengräberfeld aus dem 5./6. Jahrhundert in unmittelbarer Nähe lassen vermuten, daß hier in vorchristlicher Zeit eine heidnische Kultstätte war, wo Weihe- und Opferhandlungen vorgenommen wurden. Der Standort der späteren Kirche weitab vom besiedelten Tal auf der beschwerlich zugänglichen Höhe ist deshalb wohl in der langen Kulttradition, die dieser Stätte anhaftet, begründet.
Die historischen Ereignisse der Reformationszeit brachten der Pfarrei über ein Jahrhundert hinweg wiederholt tiefgreifende Umwälzungen. Nachdem Pfalzgraf Ottheinrich 1542 zum Protestantismus übergetreten war, mußten alle Einwohner des Fürstentums nach dem Grundsatz "wessen Herrschaft - dessen Religion" den evangelischen Glauben annehmen. Mit der Einsetzung des lutherischen Pfarrers Linhard König aus Wemding begann für Wolferstadt die protestantische Zeit, die mit einer kurzen Unterbrechung nach dem Schmalkaldischen Krieg zwischen 1546 und 1552 bis zum Jahre 1616 dauerte. Eine landesfürstliche Kommission, die sogenannten "Visitatoren" überwachte die strikte Einhaltung der neuen Kirchenordnung und tat alles, um die Erinnerung an den katholischen Glauben auszulöschen. Im Verlauf des zum Teil erbittert geführten Konfessionsstreites kam es u.a. zu einem regelrechten Bildersturm in den Kirchen. 1567 ordnete Pfalzgraf Wolfgang an, "im Dorf Wolferstatt die Bilder aus der Kirche zu tun, zu zerbrechen und zu zerschlagen, die 2 Seitenaltäre auszubrechen, abzutun und zu weißen und noch eine Tür hineinzumachen". In einem Beschwerdebrief des Domkapitels heißt es dann "Mittwoch nach Corporis Christi" -d.h. nach Fronleichnam 1567- "kamen 14 Reiter, schlugen die Fenster ein, rissen die Seitenaltäre um und nahmen das Geld aus dem Opferstock mit". Das Domkapitel protestierte gegen den Übergriff unter Berufung auf den Passauer Vertrag aus dem Jahre 1552, der ihm das Eigentumsrecht an der Kirche ausdrücklich zugestand. Um die noch vorhandenen Bilder und Statuen in Sicherheit zu bringen, beabsichtigte der domkapitelsche Vogt deren Auslagerung ins katholische "Ausland" nach Wemding, das damals bayerisch war. Als Pfalzgraf Wilhelm davon erfuhr, befahl er, "die papistischen ( d.h.die katholischen) Heiligen in einen verschlossenen Winkel zu werfen und nicht zu gestatten, daß sie von den Papisten (Katholiken) heimlich oder öffentlich weggeführt werden". Der hinhaltende Widerstand des Domkapitels gegenüber diesen rigorosen Maßnahmen wird in einem Protokoll der Visitatoren deutlich, in welchem 9 Jahre später, 1576, mißbilligend festgestellt wurde, daß "das Sakramentshäusl noch immer nicht vermauert, immer noch 3 Altäre mit Bildern und an den Wänden noch viel gemeel so ganz abgöttisch" Der Vogt wurde ultimativ aufgefordert, "es vermauern und verweißen zu lassen, wenn nicht, soll es von den Amtsverwaltern „verricht werden"
Die unerwartete Rückkehr zur katholischen Lehre im Jahre 1616, die durch den Übertritt von Herzog Wolfgang Wilhelm veranlaßt wurde, fand nicht immer den ungeteilten Beifall der Bevölkerung. So gingen z.B. die Hagauer Bauern noch lange in die protestantische Kirche nach Polsingen, während ihre Frauen den katholischen Gottesdienst in Hagau bzw. Wolferstadt besuchten. Auch die zwischenzeitlich veränderten personellen, organisatorischen und auch baulichen Gegebenheiten bereiteten der Gegenreformation erhebliche Schwierigkeiten. So mußte u.a.der Kirchenraum wieder für die Feier des Meßopfers neu ausgestattet werden. In einem Erlaß des Landesfürsten vom 19. Dezember 1616 heißt es: "Die Patronatsherrn und Dezimaleren mögen in ihren lehenbaren Kirchen Altäre und anderes Gezierd verschaffen". Aus dieser Zeit stammt wohl die Bilderreihe "Christus und die 12 Apostel" an der Brüstung der Empore.
Der 30-jährige Krieg brachte jedoch bald darauf das kirchliche Leben fast völlig zum Erliegen. Vor allem in der 2. Phase ab 1632, als sich das Kriegsgeschehen in den süddeutschen Raum verlagerte und sich die feindlichen Heere bei Rain, bei Nördlingen und 10 Jahre später bei Alerheim blutige Schlachten lieferten, suchten wiederholt versprengte Truppenteile und umherziehende Streifscharen den Ort plündernd und mordend heim. Die verängstigten Bewohner, durch Seuchen und Hunger schon stark dezimiert, flohen in die Wälder oder suchten hinter den schützenden Mauern der Stadt Wemding Zuflucht. In den Jahren 1637 und 1638 gab es in Wolferstadt keinen einzigen pfalzneuburgischen Untertan mehr. Die Felder wurden nicht mehr bestellt und die Höfe verfielen, ja ganze Ortschaften verschwanden damals. Seit 1632 war die Pfarrstelle in Wolferstadt verwaist, von 1642 ab wurde dann von einem Kaplan aus Wemding alle 14 Tage ein Gottesdienst abgehalten. Erst 1655 erhielt Wolferstadt mit Ludwig Epple wieder einen eigenen Priester, der auch die Pfarrei Weilheim längere Zeit mit zu versorgen hatte.- Es grenzt fast an ein Wunder, daß sich nach den schrecklichen Opfern des Krieges der zunächst mühsame Neubeginn relativ rasch zu einem erstaunlichen Aufschwung entwickelte. Dies kam u.a. in einer überaus regen Bautätigkeit zum Ausdruck. Das Domkapitel ließ ein repräsentatives Amtsgebäude für den Kastner und Richter (das sogenannte Kastenhaus) sowie einen neuen Zehentstadel zur Unterbringung der wieder reichlich fließenden Getreideabgaben errichten. Der Bau unserer prachtvoll ausgestatteten Laurentiuskapelle ( 1702-1709) unter Pfarrer Bayer wurde allein durch Spenden aus der Bevölkerung finanziert. Dies zeugt doch von einer gewissen Wohlhabenheit, aber auch von einer religiösen Aufbruchstimmung in der Gemeinde. Vielleicht war das gute Beispiel der Wolferstädter für das Domkapitel der Anstoß, eine gründliche Restaurierung der Pfarrkirche, die sich offensichtlich in einem äußerst desolaten Zustand befand und für die inzwischen stark angestiegene Bevölkerungszahl auch viel zu klein war,in die Wege zu leiten. 1740 begannen die Bauarbeiten. Das Langhaus wurde nach Westen erweitert, der Innenraum im barocken Stil ausgestattet und dem quadratische Turmunterbau ein Oktogen mit einer Zwiebelhaube aufgesetzt. Am 19. April 1749 konnte Bischof Anton II.Freiherr von Freyberg die Pfarrkirche konsekrieren.
50 Jahre später geriet die Pfarrei abermals in den Strudel der "großen Politik." Die kriegerischen Auseinandersetzungen zur Zeit Napoleons gingen am dörflichen Leben nicht spurlos vorbei. Von 1798 bis 1806 hatte die Bevölkerung unter der Last ständiger Einquartierungen, Schanz- und Fuhrdiensten sowie Ablieferungen an das Militär schwer zu tragen. Hierzu nur 2 Beispiele: Allein 1799 mußten von Wolferstadt 2150 Gulden aufgebracht werden; das war der zehnfache Betrag des damaligen Jahresetats der Gemeinde. Vom März bis zum September 1806 waren 1500 französische Soldaten zum Teil mit Pferden im Dorf, die untergebracht und versorgt werden mußten. - Einschneidende Veränderungen brachte aber vor allem die im Zuge der politischen Neuordnung durchgeführte Säkularisation. Das Domstift Eichstätt wurde enteignet und verlor damit auch die Grundherrschaft über Wolferstadt. Im Zusammenhang damit mußten selbst Feldkapellen und Feldkreuze beseitigt werden, weil man in ihnen Zeichen eines weltlichen Herrschaftsanspruches sah. Der letzte Amtskastner Franz Xaver von Schmidt wurde auf seinen neuen Herrn, den Großherzog Ferdinand von Toscana verpflichtet und waltete bis 1805 als Kurfürstlich-Salzburgischer Kastner und Richter zu Wolferstadt seines Amtes. Er starb 1810 und fand in unserer Kirche seine letzte Ruhestätte. Die Landeshoheit verblieb noch bis 1808 beim Fürstentum Neuburg, dann kam Wolferstadt endgültig zum Königreich Bayern.
Damit endete eine bedeutsame Phase in der wechselvollen Geschichte Wolferstadts, die vom Domkapitel Eichstätt entscheidend mitgestaltet wurde. Die damals gewachsenen Strukturen wirkten weiter in das öffentliche Leben bis in unsere Zeit. Sowohl die Organisation der politischen Gemeinde als auch die des Schulwesens gehen auf diese historischen Bindungen zurück. Die Schule bei der Kirche, die Gemeindeverwaltung im ehemals domkapitelschen Zehentstadel, das sind sichtbare Zeichen einer jahrhundertelangen gemeinsamen Vergangenheit. Vor allem aber ist es unsere Pfarrkirche St. Martin auf dem Berg, die als ehrwürdiges Zeugnis auf eine 800-jährige Geschichte zurückblicken kann. Auf festem Fels gebaut hat sie den Stürmen der Jahrhunderte getrotzt. Viele Generationen sind den Kirchberg heraufgekommen, um hier dem Schöpfer und Herrn der Geschichte die Ehre zu erweisen und seine Hilfe anzuflehen. Möge dieses Gotteshaus "St. Martin auf dem Berg" auch uns und künftigen Geschlechtern ein Zeichen sein, das den Weg weist durch die Zeiten hin zum ewigen Heil!